Ort des zwanglosen Büffelns verlassen

Ende einer kleinen Epoche: Rund acht Jahre nach seinem Start ist der Sprachtreff umgezogen. Die Initiative hat die alten Gemeinderäumen der evangelischen Cyriakusgemeinde in der Alexanderstraße 37 bereits Mitte Juli verlassen. Fortan gestalten WIR und „Teachers on the Road“ den Deutsch-Unterricht für Neuankömmlinge in Frankfurt in der katholischen St. Antoniusgemeinde in der Alexanderstraße 25.

Ein Ort des Büffelns, Hinterhof der schönen, lehrreichen Begegnungen – und eine Unterkunft für Willkommen in Rödelheim (W.i.R.) sowie „Teachers on the Road“: Über Jahre hinweg entfaltete sich in den weitläufigen Zimmern und Sälen im evangelischen Gemeindehaus eine besondere Willkommenskultur. Seit der Ankunft zahlreicher Geflüchteter im Jahr 2015 haben Ehrenamtliche fast jeden Montagabend individuell ausgerichtete Deutsch-Nachhilfe für Menschen angeboten, die aus allen Ecken der Welt in Rödelheim angekommen sind.

Mitunter kamen abends bis zu 25 Lernwillige in die Alexanderstraße 37, um konzentriert die sonderbaren Regeln der deutschen Sprache zu verinnerlichen – und auf Deutsch zu kommunizieren. Im Mittelpunkt stand und steht das intuitive Lernen, das Gespräch, die Artikulation von Silben, Wörtern und Sätzen. Wer regelmäßig am Unterricht teilnahm, konnte bald souverän kleine Geschichten erzählen.

Auszug aus der gelobten Unterkunft
Für die Neuankömmlinge – sie wohnen erst seit kurzer Zeit in Frankfurt – ist die Lernwerkstatt so etwas wie ein Zuhause. Hier warten bekannte Gesichter, auf denen stets ein Lächeln zu sehen ist. „Für nicht Wenige, die in Geflüchtetenunterkünften leben, sind unsere Sprachkurse der einzige persönliche Kontakt zu Deutschen in Rödelheim“, sagt Udo Schoeler, einer der ehrenamtlichen Lehrer bei der Rödelheimer Initiative. Er und seine Mitstreiter sind der Cyriakusgemeinde für die kostenlose Unterkunft und die gestellte Lerninfrastruktur sehr dankbar. Allerdings kehrt jetzt Stille in die weißgetünchten Hinterhof-Räume ein.

Ende Juli 2023 wird die Kirchenleitung den Gebäudekomplex aus den 1960er-Jahren in der Alexanderstraße 37 räumen und komplett in die restaurierten Kirchenräume jenseits der Nidda ziehen. Die verbliebenen Grundstücke sollen nach Angaben der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau veräußert werden. Auf dem Grundstück sollen neue Wohnhäuser entstehen. Was bleibt, sind Erinnerungen – und vielleicht der Nachklang der vielen kleinen Erzählungen in frisch erlerntem Deutsch.

Rödelheimer etablieren den Sprachtreff dauerhaft
Wenngleich das alte Kirchengebäude wenig sakrale Atmosphäre verbreitet hat, werden W.i.R., „Teachers on the Road“ und die Lernenden den heiligen Hallen im evangelischen Gemeindesaal manchmal nachtrauern. Immerhin sind sie eng mit der Gründungsgeschichte von „Willkommen in Rödelheim“ verbunden. Damals hatte Helga Dieter, Vorsitzende des Vereins „Courage gegen Rassismus“, dafür gesorgt, eine würdige Unterkunft für den Sprachtreff zu finden. Sie war und ist, auch dank des Zusammenschlusses zahlreicher Rödelheimer Initiativen bei der Bewegung „Stadtteil gegen Rassismus“, gut vernetzt. Infolgedessen warb sie bei der Gemeinde dafür, den Sprachtreff unter dem Dach der Kirche zu etablieren.

Neue Bleibe, bewährter Lernwille
Die persönlichen, freundschaftlichen Begegnungen mit denjenigen, die Deutsch lernen wollen, werden nicht aufhören. Weiterhin bieten W.i.R. und „Teachers on the Road“ den Unterricht montags und donnerstags um 17.30 Uhr an – aber künftig ausschließlich in der Alexanderstraße 25. Die dortigen Räume der St. Antoniusgemeinde bieten nicht ganz so viel Platz wie das Gemeindezentrum der Lutheraner. Aber Schüler und Lehrerinnen rücken künftig einfach enger zusammen und stecken weiterhin die Köpfe zusammen, um intensiv Deutsch zu pauken.